Der schwarze König des Wiener Schottenaltars

Die Anbetung der Könige, vom Wiener Schottenaltar, um 1470
Belvedere, Wien
[Bild: © Belvedere, Wien, Lizenz: CC BY-SA 4.0]

Die Anbetung der Heiligen Drei Könige vom ehemaligen Hochaltar der Wiener Schottenkirche zählt zweifellos zu den Höhepunkten der Mittelaltersammlung im Belvedere. Um 1470 entstanden, war das Gemälde ursprünglich Teil eines monumentalen Flügelretabels, von dem heute noch 21 Bildtafeln – die meisten im Museum des Schottenstifts – erhalten sind. Der Name des ausführenden Künstlers ist leider nicht überliefert, er wird daher in der Regel als ‚Meister des Schottenaltars‘ oder einfach als ‚Schottenmeister‘ bezeichnet.1 Von den 1460er Jahren bis um 1480 war er die führende Malerpersönlichkeit Wiens. Auch wenn die ältere Forschung in ihm gerne einen autochthonen Wiener gesehen hätte, kann mittlerweile als erwiesen gelten, dass er seine künstlerische Ausbildung im Umfeld von Hans Pleydenwurff in Nürnberg erhielt.2

Die Flucht nach Ägypten, vom Wiener Schottenaltar um 1470
Museum im Schottenstift, Wien
[Bildquelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei]

Zu den Dingen, die der Schottenmeister bei Pleydenwurff lernte, zählt nicht zuletzt das direkte Naturstudium, was in der mitteleuropäischen Malerei um 1460 noch keine Selbstverständlichkeit war. Besonders evident ist es in den berühmten Wien-Ansichten, die auf einigen Tafeln des Schottenaltars, etwa der Flucht nach Ägypten, den Hintergrund bilden. Es zeigt sich aber auch in den oft porträthaft wirkenden Zügen der biblischen Figuren, die mit großem Realismus dargestellt sind.

Detail aus der Anbetung der Könige, vom Wiener Schottenaltar
Belvedere, Wien
[Bild: © Belvedere, Wien, Lizenz: CC BY-SA 4.0]

Vor dem Hintergrund des vorigen Beitrags drängt sich mir an dieser Stelle die Frage auf, wie es sich diesbezüglich mit dem schwarzen König im Bild der Anbetung verhält. Wäre es denkbar, dass dieser auf einer Porträtskizze basiert, dass er die Züge eines Schwarzen Menschen trägt, der im 15. Jahrhundert wirklich gelebt hat? Die Frage lässt sich, meiner Meinung nach, mit einem vorsichtigen Ja beantworten. Damit möchte ich keineswegs behaupten, dass es sich definitiv um ein Porträt handelt, aber für zumindest denkbar halte ich diese Möglichkeit doch. Zum Verständnis dieser Überlegung ist es allerdings notwendig, ein klein wenig auszuholen und zunächst von der Reise des böhmischen Gesandten Jaroslav Lev von Rosental zu erzählen…

Im Auftrag seines Schwagers, des böhmischen Königs Georg von Podiebrad, besuchte Lev von Rosental in den Jahren 1465–1467 die wichtigsten Fürstenhöfe Europas. Am 26. November 1465 brach er mit vierzig Begleitern, 52 Pferden und einem Kammerwagen von Prag auf. Der erste größere Zwischenstopp war in Nürnberg, wo sich weitere Begleiter dem Zug anschlossen, unter anderem der Nürnberger Patrizier Gabriel Tetzel, der später einen ausführlichen Bericht über die Reise verfasste.3

Über Frankfurt und Köln reisten Lev von Rosental und sein Gefolge nach Brüssel, wo ihnen am Hof des burgundischen Herzogs Philipps des Guten ein prachtvoller Empfang bereitet wurde. Nächste Station war England, von dort ging es wieder zurück über den Ärmelkanal und dann durch das westliche Frankreich auf die Iberische Halbinsel, wo die Gesandtschaft die Könige von Kastilien, Portugal und Aragon traf.

An dieser Stelle kommt Gabriel Tetzel in seinem Reisebericht auch auf die Verhältnisse im „morenland“ zu sprechen, d. h. im nordwestlichen Afrika, zu dem die iberischen Königreiche vielfältige Beziehungen unterhielten. Die Portugiesen hatten sich durch die Eroberung der Hafenstädte Ceuta (1415) und Ksar es-Seghir (1458) auch selbst bereits im heutigen Marokko festgesetzt und damit die Ära des europäischen Kolonialismus eingeleitet. Von Anfang an spielte der Handel mit schwarzen Sklaven darin eine bedeutende Rolle. „Umb ein tuch, das X oder zwelf gulden wert ist“, berichtet Tetzel vom Hörensagen, könne man in Nordafrika „funf oder sechs moren darumb bekumen, wann es ist gar grosser mangel in dem land an tuchen.“ Die portugiesischen Kaufleute brächten daher „vil moren und heiden über mer.“ In Lissabon etwa, wo damals gerade die Pest wütete, seien allein während der Epidemie über 3000 „moren und mörin“ gestorben.4

Wegen der grassierenden Seuche hatte der portugiesische König Alfons V. Lissabon verlassen und seinen Hof temporär nach Evora verlegt. Dort trafen ihn Lev von Rosental und seine Begleiter. Zwei Wochen lang blieben sie in Evora, wo sie vom König bewirtet und mit ‚exotischen‘ Geschenken bedacht wurden, darunter „vil leparden-häut und vil bogen, tarschen, länzlein und ander heidnische waffen.“ Die kostbarsten Gaben, die sie erhielten, waren jedoch „zwey pferd, zwen moren, zwen affen.“5 Fast beiläufig spricht Tetzel hier von zwei Menschen als einem diplomatischen Geschenk und mit der größten Selbstverständlichkeit stellt er sie in eine Reihe mit Affen und Pferden, auf eine Stufe mit Tieren.

Die beiden versklavten und verschenkten Schwarzen begegnen in Tetzels Reisebeschreibung noch ein weiteres Mal, nämlich kurz vor der Heimkehr der Gesandtschaft nach Böhmen. Der Rückweg von Portugal führte Lev von Rosental und seine Begleiter durch Südfrankreich, Norditalien und schließlich Österreich, wo sie Anfang 1467 anlangten. In Graz trafen sie Kaiser Friedrich III., wenige Tage später in Wiener Neustadt dessen Frau, Eleonore von Portugal. Da gerade Fasching war, blieben sie über eine Woche an ihrem Hof und verbrachten die Zeit mit Tänzen und anderen Vergnügungen. Das Vergnügen lag aber nicht zuletzt auf Seiten der Kaiserin, denn Eleonore war die Schwester des zuvor erwähnten Alfons V. Sie hatte Portugal 1451 als Fünfzehnjährige verlassen, um den Habsburger Friedrich III. zu heiraten, und seither weder ihren Bruder noch ihr Heimatland wiedergesehen. Der Besuch der böhmischen Gesandtschaft war für sie also eine ebenso seltene wie willkommene Gelegenheit, sich nach daheim zu erkundigen. Sie fragte daher angelegentlich, wie es den Reisenden in Portugal ergangen war, und freute sich über einen Brief ihres Bruders, den dieser für sie mitgeschickt hatte, sowie über die portugiesischen Tänze, die Lev von Rosentals Lautenist auf der Reise gelernt hatte. Insbesondere aber, so Tetzel, hatte sie „die allergrosste freud, wenn sie die moren und affen sach, die ir bruder der kunig von Portigal meinem herrn geschenkt hat.“6

Die beiden Schwarzen waren also auch in Österreich noch Teil der Entourage Lev von Rosentals. Danach verliert sich meines Wissens ihre Spur, und es ist nicht bekannt, wie es ihnen in Mitteleuropa weiter erging. Ich halte es jedoch für naheliegend, dass sie die Reise bis zum Ende mitmachen mussten und entweder an den Prager Königshof oder auf Lev von Rosentals Stammschloss Blatná in Südböhmen gebracht wurden.

Damit sind wir nun wieder beim ursprünglichen Thema, beim schwarzen König des Wiener Schottenaltars angekommen. Auf seinem Rückweg von Wiener Neustadt nach Böhmen kam Lev von Rosental nämlich im Frühjahr 1467 auch durch Wien. Es ist wohl anzunehmen, dass er und seine Gefolgschaft in der Stadt einiges Aufsehen erregten, denn nicht nur handelte es sich um eine große Reisegesellschaft, sondern vermutlich auch um einen ausgesprochen prachtvollen Zug: Tetzel beschreibt zu Beginn der Reise, dass die Dienerschaft ganz in Rot gekleidet war, mit Gewändern von Gold und von Samt, und mit Perlenbesatz an den Ärmeln.7 Es wäre also durchaus denkbar, dass auch der Schottenmeister den Zug zu Gesicht bekam, und es wäre ebenso denkbar, dass er mit Papier und Stift oder Feder anrückte und die beiden Schwarzen skizzierte, um ihr Bildnis später in einem Gemälde wie der Anbetung der Könige zu verwenden.8

Detail aus der Anbetung der Könige, vom Wiener Schottenaltar
Belvedere, Wien
[Bild: © Belvedere, Wien, Lizenz: CC BY-SA 4.0]

Es besteht also zumindest die Möglichkeit, dass wir im schwarzen König des Schottenaltars das Porträt eines Mannes vor uns haben, der in Nordafrika versklavt, nach Portugal verkauft, dort an einen böhmischen Gesandten verschenkt und von diesem nach Mitteleuropa verschleppt wurde. Trifft diese Annahme zu, dann war der Mann, der im Gemälde als stolzer König erscheint, in Wirklichkeit ein Versklavter – ein Mensch, dem man in Europa weniger Wert beimaß als dem eleganten Brokattuch, aus dem im Bild seine Kleidung besteht. All das ist natürlich bloße Spekulation, schon allein, weil wir nicht einmal mit Sicherheit sagen können, ob sich der Schottenmeister im Frühjahr 1467 überhaupt in Wien aufhielt. Es ist aber doch keineswegs völlig unrealistisch, und allein die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, eröffnet neue Blickweisen auf das Bild und zwingt uns, die so vertraute Figur des schwarzen Königs mit anderen Augen zu sehen.


1. Dass ich hier von einem Künstler bzw. Meister im Singular spreche, ist streng genommen eine Vereinfachung. Tatsächlich wurde der Wiener Schottenaltar von einer größeren Werkstatt geschaffen, in der mehrere Maler und Bildhauer zusammenarbeiteten. Unter dem ‚Schottenmeister‘ hat man sich also einen Werkstattleiter vorzustellen, der zwar für den Stil des Ateliers maßgeblich war, aber keineswegs alle Arbeiten selbst ausführte.

2. Vgl. Robert Suckale, Die Erneuerung der Malkunst vor Dürer, Petersberg 2009.

3. Tetzels Bericht ist publiziert in: Des böhmischen Herrn Leo’s von Rožmital Ritter-, Hof- und Pilger-Reise durch die Abendlande 1465–1467. Beschrieben von zweien seiner Begleiter, Stuttgart 1843, S. 143–196. [Online auf Google Books]

4. Ebd., S. 180–181.

5. Ebd., S. 182–183.

6. Ebd., S. 195.

7. Ebd., S. 145.

8. Erinnert sei hier nur an Albrecht Dürer, der einige Jahrzehnte später die schwarze Dienerin eines portugiesischen Kaufmanns in Antwerpen porträtierte. [Mehr dazu auf Black Central Europe]

Afrika und Asien in einem Wandbild des 15. Jahrhunderts

Aus gegebenem Anlass möchte ich heute auf das Forschungsnetzwerk Black Central Europe hinweisen. Hauptanliegen dieses Zusammenschlusses von Forschenden und Schreibenden ist zu zeigen, dass Schwarze Menschen – entgegen landläufiger Vorurteile – immer schon Teil der Geschichte des deutschsprachigen Mitteleuropas waren. Auf seiner Homepage präsentiert das Netzwerk daher eine umfangreiche Sammlung historischer Text- und Bildquellen zur Schwarzen Diaspora in Mitteleuropa, die jeweils kommentierend eingeordnet werden. Das meiste Material steht sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch zur Verfügung und kann unter einer Creative Commons-Lizenz weiterverwendet werden. Dank der meist knappen, klaren Kommentare eignet es sich etwa auch zur Einbindung in den Schulunterricht.

Die Heiligen Drei Könige auf der Weihnachtsmarke der Deutschen Bundespost von 1972
(Bildquelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Ich will hier im Folgenden kurz ein Thema aufgreifen, das unmittelbar meine eigenen Forschungsgebiete berührt: Im Abschnitt zum Mittelalter bietet die Sammlung von Black Central Europe gleich mehrere Beiträge zu der gängigen Vorstellung, dass einer der Heiligen Drei Könige schwarz ist. Diese ist nämlich weit weniger selbstverständlich, als es vielen heute bewusst ist. Denn weder in der Bibel noch in der frühchristlichen Exegese finden sich Hinweise auf die Herkunft bzw. die ethnische Zugehörigkeit der drei Könige. Erst im 7. Jahrhundert begegnet bei Beda Venerabilis der Hinweis, dass sie die damals in Europa bekannten Erdteile repräsentierten, also Afrika, Asien und eben Europa. Ein Gedanke, der nicht zuletzt den universalen Anspruch des Christentums veranschaulichte, allerdings erst ab dem Spätmittelalter weitere Verbreitung fand.

Die Wappen der Heiligen Drei Könige (oberste Reihe)
Armorial Gelre, Brüssel, Bibliothèque Royale de Belgique, Ms 15652–56, fol. 28v
(Bildquelle: Black Central Europe, Lizenz: CC BY-SA 4.0)

Ende des 14. Jahrhunderts wurde die Vorstellung dann auch in der bildenden Kunst aufgegriffen, wenn auch zunächst eher zögerlich. Als einflussreich erwies sich etwa das Armorial Gelre, ein zwischen 1370 und 1396 in den Niederlanden entstandenes Wappenbuch. Neben den realen Wappen des europäischen Adels enthält es auch fiktive Wappen der Heiligen Drei Könige. Die Reihe beginnt mit dem heraldischen Zeichen von Caspar: ein goldener Halbmond mit einem Stern auf blauem Grund, vielleicht eine Anspielung auf Osmanische Feldzeichen und damit auf Asien. Ihm folgen Melchior (goldene Sterne auf blauem Grund) und schließlich Balthasar, dessen Wappen einen Schwarzen mit einem Speer in der Hand zeigt, wohl ein Verweis auf den Hl. Mauritius, der wie die Heiligen Drei Könige zu den Lokalheiligen Kölns zählte. [Mehr dazu auf Black Central Europe]

Nachdem der schwarze König so zu seinem eigenen einschlägigen Wappen gekommen war, dauerte es allerdings noch einige Jahrzehnte, bis er auch selbst tatsächlich als Schwarzer dargestellt wurde. Eines der frühesten Beispiele in der mitteleuropäischen Malerei ist die Anbetung der Könige aus Hans Multschers Wurzacher Altar von 1437. [Mehr dazu auf Black Central Europe]

Hans Multscher, Die Anbetung der Könige, 1437
Vom sog. Wurzacher Altar, jetzt Gemäldegalerie, Berlin
(Bildquelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Ich möchte an dieser Stelle ein wenig bekanntes Beispiel hinzufügen, das in gewisser Weise eine Zwischenstufe der Entwicklung repräsentiert: ein Wandgemälde in der Pfarrkirche von St. Peter am Kammersberg in der Steiermark, das um 1420/25 von einem unbekannten, wohl einheimischen Künstler ausgeführt wurde. Das Bildfeld erstreckt sich über die ganze Nordwand des Chorraums und zeigt nicht nur die Anbetung des Jesuskindes durch die Könige, sondern auch deren Gefolge, das einen prachtvollen berittenen Zug bildet.

Zug der Heiligen Drei Könige, um 1420/25
Pfarrkirche St. Petrus, St. Peter am Kammersberg

Rund zehn bis 15 Jahre vor Multschers Altartafel entstanden, zeigt das Wandbild in St. Peter am Kammersberg noch alle drei Könige mit weißer Hautfarbe. Sie repräsentieren hier offenbar nicht die Erdteile, sondern, einer älteren Tradition folgend, die drei Lebensalter.

So ist der erste König als alter Mann mit weißem Bart dargestellt. Er kniet mit entblößtem Haupt anbetend vor dem Jesuskind, während ein Begleiter seine Krone hält.

Der zweite König folgt, noch zu Pferd, als Mann „in besten Jahren“, der dritte schließlich führt als bartloser Jüngling den Tross des Gefolges an.

Ihrem Rang und ihrem Reichtum entsprechend tragen die Könige und einige ihrer Begleiter aufwändige Kleidung: lange Röcke; breite, unterhalb der Taille sitzende Gürtel, an denen zum Teil kleine Glöckchen angebracht sind; lange, oft gezaddelte Ärmel und auf dem Kopf turbanartig geschlungene Tücher. Das wirkt für heutige Betrachter*innen vielleicht fantastisch und fremdartig, entspricht aber schlicht und einfach dem, was um 1420 an den Höfen Mitteleuropas der letzte Schrei in der Männermode war.

Anders verhält es sich beim Gefolge, das im hinteren Bildteil erscheint. Hier begegnen Figuren, die wohl auch für die Betrachter*innen um 1420 fremdartig wirkten. Hier, bei den weniger wichtgen, weniger heiligen Figuren finden sich deutliche Hinweise auf den Gedanken, dass die Könige die verschiedenen Erdteile repräsentieren.

Zunächst ist dabei auf die drei nun schon bekannten Wappen zu verweisen. Sie erscheinen hier nicht auf Schilden, sondern als Banner. Inhaltlich entsprechen sie aber im Wesentlichen dem, was im Armorial Gelre vorgeprägt ist: Das erste zeigt den osmanisch anmutenden Halbmond, das zweite den schwarzen Mann mit dem Speer (der hier allerdings nackt dargestellt ist). Nur das dritte Banner bereitet gewisse Probleme, denn es erscheint völlig schwarz. Vermutlich war es ursprünglich jedoch mit Sternen übersät, die nicht gemalt waren, sondern aus echtem, flachgepresstem Silber bestanden. Solche Metallauflagen waren in der mittelalterlichen Wandmalerei sehr beliebt, denn sie verliehen den Gemälden besonderen Glanz. Gerade Silberauflagen haben allerdings den Nachteil, dass sie im Lauf der Zeit oxidieren und sich schwarz verfärben.

Die Differenzierung nach den drei Erdteilen beschränkt sich jedoch nicht auf die Wappen, auch bei den Figuren im Gefolge lässt sich eine gewisse Diversität feststellen. So erblickt man zwischen dem zweiten und dem dritten Banner eine Gestalt mit auffällig langem spitzem Bart und hoher spitzer Mütze. Das entspricht der Art, wie man im späten Mittelalter ‚Tataren‘ darstellte. ‚Tatar‘ war eine damals gängige Sammelbezeichnung für verschiedene Turkvölker, insbesondere für die Mongolen. Es lässt sich daher vermuten, dass die Figur im Wandbild stellvertretend für Asien steht.

Diese Annahme wird noch dadurch bestärkt, dass gleich hinter dem ‚Tatar‘ ein Schwarzer dargestellt ist, der gerade aus einem kleinen Holzfässchen trinkt. Hinter diesem wiederum sitzt auf einer Pferdekuppe ein Äffchen, das die ‚Exotik‘ der Gruppe zusätzlich unterstreicht. Zugleich verweist es auch nochmals auf die hohe gesellschaftliche Stellung der Könige, denn das Halten von Affen und anderen nicht-europäischen Tieren war an den Höfen des spätmittelalterlichen Europas ein beliebtes Statussymbol.

Der trinkende Schwarze ist nicht nur durch seine Hautfarbe als Vertreter Afrikas charakterisiert, sondern auch durch physiognomische Merkmale wie die flachere Nase von den als europäisch markierten Figuren unterschieden. Der Maler war offenbar bemüht, ein einigermaßen realistisches Bild eines Schwarzen Menschen wiederzugeben. Offenbleiben muss allerdings, ob der unbekannte Künstler die Figur nach einem realen Vorbild gestaltet oder bloß von einem älteren Gemälde kopiert hat. Letzteres war um 1420/25 gängige Praxis und ist daher wohl eher anzunehmen. Sicher ist es allerdings nicht…