Afrika und Asien in einem Wandbild des 15. Jahrhunderts

Aus gegebenem Anlass möchte ich heute auf das Forschungsnetzwerk Black Central Europe hinweisen. Hauptanliegen dieses Zusammenschlusses von Forschenden und Schreibenden ist zu zeigen, dass Schwarze Menschen – entgegen landläufiger Vorurteile – immer schon Teil der Geschichte des deutschsprachigen Mitteleuropas waren. Auf seiner Homepage präsentiert das Netzwerk daher eine umfangreiche Sammlung historischer Text- und Bildquellen zur Schwarzen Diaspora in Mitteleuropa, die jeweils kommentierend eingeordnet werden. Das meiste Material steht sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch zur Verfügung und kann unter einer Creative Commons-Lizenz weiterverwendet werden. Dank der meist knappen, klaren Kommentare eignet es sich etwa auch zur Einbindung in den Schulunterricht.

Die Heiligen Drei Könige auf der Weihnachtsmarke der Deutschen Bundespost von 1972
(Bildquelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Ich will hier im Folgenden kurz ein Thema aufgreifen, das unmittelbar meine eigenen Forschungsgebiete berührt: Im Abschnitt zum Mittelalter bietet die Sammlung von Black Central Europe gleich mehrere Beiträge zu der gängigen Vorstellung, dass einer der Heiligen Drei Könige schwarz ist. Diese ist nämlich weit weniger selbstverständlich, als es vielen heute bewusst ist. Denn weder in der Bibel noch in der frühchristlichen Exegese finden sich Hinweise auf die Herkunft bzw. die ethnische Zugehörigkeit der drei Könige. Erst im 7. Jahrhundert begegnet bei Beda Venerabilis der Hinweis, dass sie die damals in Europa bekannten Erdteile repräsentierten, also Afrika, Asien und eben Europa. Ein Gedanke, der nicht zuletzt den universalen Anspruch des Christentums veranschaulichte, allerdings erst ab dem Spätmittelalter weitere Verbreitung fand.

Die Wappen der Heiligen Drei Könige (oberste Reihe)
Armorial Gelre, Brüssel, Bibliothèque Royale de Belgique, Ms 15652–56, fol. 28v
(Bildquelle: Black Central Europe, Lizenz: CC BY-SA 4.0)

Ende des 14. Jahrhunderts wurde die Vorstellung dann auch in der bildenden Kunst aufgegriffen, wenn auch zunächst eher zögerlich. Als einflussreich erwies sich etwa das Armorial Gelre, ein zwischen 1370 und 1396 in den Niederlanden entstandenes Wappenbuch. Neben den realen Wappen des europäischen Adels enthält es auch fiktive Wappen der Heiligen Drei Könige. Die Reihe beginnt mit dem heraldischen Zeichen von Caspar: ein goldener Halbmond mit einem Stern auf blauem Grund, vielleicht eine Anspielung auf Osmanische Feldzeichen und damit auf Asien. Ihm folgen Melchior (goldene Sterne auf blauem Grund) und schließlich Balthasar, dessen Wappen einen Schwarzen mit einem Speer in der Hand zeigt, wohl ein Verweis auf den Hl. Mauritius, der wie die Heiligen Drei Könige zu den Lokalheiligen Kölns zählte. [Mehr dazu auf Black Central Europe]

Nachdem der schwarze König so zu seinem eigenen einschlägigen Wappen gekommen war, dauerte es allerdings noch einige Jahrzehnte, bis er auch selbst tatsächlich als Schwarzer dargestellt wurde. Eines der frühesten Beispiele in der mitteleuropäischen Malerei ist die Anbetung der Könige aus Hans Multschers Wurzacher Altar von 1437. [Mehr dazu auf Black Central Europe]

Hans Multscher, Die Anbetung der Könige, 1437
Vom sog. Wurzacher Altar, jetzt Gemäldegalerie, Berlin
(Bildquelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Ich möchte an dieser Stelle ein wenig bekanntes Beispiel hinzufügen, das in gewisser Weise eine Zwischenstufe der Entwicklung repräsentiert: ein Wandgemälde in der Pfarrkirche von St. Peter am Kammersberg in der Steiermark, das um 1420/25 von einem unbekannten, wohl einheimischen Künstler ausgeführt wurde. Das Bildfeld erstreckt sich über die ganze Nordwand des Chorraums und zeigt nicht nur die Anbetung des Jesuskindes durch die Könige, sondern auch deren Gefolge, das einen prachtvollen berittenen Zug bildet.

Zug der Heiligen Drei Könige, um 1420/25
Pfarrkirche St. Petrus, St. Peter am Kammersberg

Rund zehn bis 15 Jahre vor Multschers Altartafel entstanden, zeigt das Wandbild in St. Peter am Kammersberg noch alle drei Könige mit weißer Hautfarbe. Sie repräsentieren hier offenbar nicht die Erdteile, sondern, einer älteren Tradition folgend, die drei Lebensalter.

So ist der erste König als alter Mann mit weißem Bart dargestellt. Er kniet mit entblößtem Haupt anbetend vor dem Jesuskind, während ein Begleiter seine Krone hält.

Der zweite König folgt, noch zu Pferd, als Mann „in besten Jahren“, der dritte schließlich führt als bartloser Jüngling den Tross des Gefolges an.

Ihrem Rang und ihrem Reichtum entsprechend tragen die Könige und einige ihrer Begleiter aufwändige Kleidung: lange Röcke; breite, unterhalb der Taille sitzende Gürtel, an denen zum Teil kleine Glöckchen angebracht sind; lange, oft gezaddelte Ärmel und auf dem Kopf turbanartig geschlungene Tücher. Das wirkt für heutige Betrachter*innen vielleicht fantastisch und fremdartig, entspricht aber schlicht und einfach dem, was um 1420 an den Höfen Mitteleuropas der letzte Schrei in der Männermode war.

Anders verhält es sich beim Gefolge, das im hinteren Bildteil erscheint. Hier begegnen Figuren, die wohl auch für die Betrachter*innen um 1420 fremdartig wirkten. Hier, bei den weniger wichtgen, weniger heiligen Figuren finden sich deutliche Hinweise auf den Gedanken, dass die Könige die verschiedenen Erdteile repräsentieren.

Zunächst ist dabei auf die drei nun schon bekannten Wappen zu verweisen. Sie erscheinen hier nicht auf Schilden, sondern als Banner. Inhaltlich entsprechen sie aber im Wesentlichen dem, was im Armorial Gelre vorgeprägt ist: Das erste zeigt den osmanisch anmutenden Halbmond, das zweite den schwarzen Mann mit dem Speer (der hier allerdings nackt dargestellt ist). Nur das dritte Banner bereitet gewisse Probleme, denn es erscheint völlig schwarz. Vermutlich war es ursprünglich jedoch mit Sternen übersät, die nicht gemalt waren, sondern aus echtem, flachgepresstem Silber bestanden. Solche Metallauflagen waren in der mittelalterlichen Wandmalerei sehr beliebt, denn sie verliehen den Gemälden besonderen Glanz. Gerade Silberauflagen haben allerdings den Nachteil, dass sie im Lauf der Zeit oxidieren und sich schwarz verfärben.

Die Differenzierung nach den drei Erdteilen beschränkt sich jedoch nicht auf die Wappen, auch bei den Figuren im Gefolge lässt sich eine gewisse Diversität feststellen. So erblickt man zwischen dem zweiten und dem dritten Banner eine Gestalt mit auffällig langem spitzem Bart und hoher spitzer Mütze. Das entspricht der Art, wie man im späten Mittelalter ‚Tataren‘ darstellte. ‚Tatar‘ war eine damals gängige Sammelbezeichnung für verschiedene Turkvölker, insbesondere für die Mongolen. Es lässt sich daher vermuten, dass die Figur im Wandbild stellvertretend für Asien steht.

Diese Annahme wird noch dadurch bestärkt, dass gleich hinter dem ‚Tatar‘ ein Schwarzer dargestellt ist, der gerade aus einem kleinen Holzfässchen trinkt. Hinter diesem wiederum sitzt auf einer Pferdekuppe ein Äffchen, das die ‚Exotik‘ der Gruppe zusätzlich unterstreicht. Zugleich verweist es auch nochmals auf die hohe gesellschaftliche Stellung der Könige, denn das Halten von Affen und anderen nicht-europäischen Tieren war an den Höfen des spätmittelalterlichen Europas ein beliebtes Statussymbol.

Der trinkende Schwarze ist nicht nur durch seine Hautfarbe als Vertreter Afrikas charakterisiert, sondern auch durch physiognomische Merkmale wie die flachere Nase von den als europäisch markierten Figuren unterschieden. Der Maler war offenbar bemüht, ein einigermaßen realistisches Bild eines Schwarzen Menschen wiederzugeben. Offenbleiben muss allerdings, ob der unbekannte Künstler die Figur nach einem realen Vorbild gestaltet oder bloß von einem älteren Gemälde kopiert hat. Letzteres war um 1420/25 gängige Praxis und ist daher wohl eher anzunehmen. Sicher ist es allerdings nicht…